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Amtliche Statistik für Nordrhein-Westfalen

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Wer in NRW ist von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen?
Zentrale Ergebnisse der Erhebung über Einkommen und Lebensbedingungen

© Sergey Chayko - stock.adobe.com
Das Bild zeigt ein leeres Portemonnaie in den Händen eines Menschen


Teile der Bevölkerung sind aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation von materieller und sozialer Entbehrung (auch: Deprivation) betroffen. Personen gelten als materiell und sozial depriviert, wenn sie nach eigener Einschätzung aus finanziellen Gründen unfreiwillig auf bestimmte Güter, Dienstleistungen oder soziale Aktivitäten verzichten müssen, die von den meisten Menschen als wesentlich für eine angemessene Lebensqualität angesehen werden.


Die europäische Erhebung über Einkommen und Lebensbedingungen erfasst die Betroffenheit von materieller und sozialer Entbehrung über 13 Einzelfragen. Hierbei werden Fragen nach diversen Zahlungsrückständen oder zu den finanziellen Möglichkeiten bezogen auf Urlaub, Freizeitaktivitäten, neuer Kleidung, aber auch zu Lebensmitteln gestellt (eine vollständige Auflistung der Einzelfragen finden Sie im Methodenteil). Stimmen befragte Personen mindestens sieben der 13 zur Messung verwendeten Einzelkriterien zu, so gelten sie als erheblich materiell und sozial depriviert.


In der nachfolgenden Analyse werden aktuelle statistische Ergebnisse zur materiellen und sozialen Deprivation in Nordrhein-Westfalen nach verschiedenen sozialen und demografischen Merkmalen dargestellt. Datengrundlage sind die Endergebnisse der europäischen Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen 2023. Die Daten werden jährlich aktualisiert. Hinweise zur Datenquelle und Methodik finden Sie im untenstehenden Methodenteil.

 

Entwicklung im Zeitverlauf

Jede elfte Person in Nordrhein-Westfalen ist von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen


Rund 1,63 Millionen (9,1 Prozent) der Menschen in Nordrhein-Westfalen mussten im Jahr 2023 laut Selbsteinschätzung Entbehrungen in mindestens sieben der 13 Bereiche auf sich nehmen und galten damit als erheblich materiell und sozial depriviert. Im Jahr 2021 lag der Anteil noch bei 5,8 Prozent und ist somit um 3,3 Prozentpunkte gestiegen. 
 

Anteil von erheblicher materieller und sozialer Deprivation betroffener Menschen in NRW 2021 bis 2023 in Prozent
Differenzierung nach Altersgruppen

Kinder und Jugendliche müssen häufiger verzichten


Das Risiko, von Entbehrungen betroffen zu sein, sinkt mit dem Alter. Während ein Achtel (12,7 Prozent) der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren 2023 erheblich materiell und sozial depriviert waren, war der Anteil bei älteren Menschen ab 65 Jahren weniger als halb so hoch (5,6 Prozent).
 

Anteil von erheblicher materieller und sozialer Deprivation betroffener Menschen in NRW 2023 nach Altersgruppen in Prozent
Differenzierung nach Haushaltstyp

Alleinerziehende besonders von Entbehrung betroffen


Abhängig von der Haushaltskonstellation sind Personen unterschiedlich stark von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen. Personen, die in Haushalten ohne Kinder lebten, waren 2023 seltener betroffen (7,6 Prozent) als diejenigen mit Kindern (10,9 Prozent).


Mit 5,2 Prozent waren Personen in Haushalten mit zwei Erwachsenen ohne Kinder am seltensten von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen. Der höchste Anteil zeigt sich bei Alleinerziehenden: Ein Viertel (25,5 Prozent) der Erwachsenen und Kinder in diesen Haushalten konnten sich mindestens sieben der 13 Güter, Dienstleistungen und Aktivitäten nicht leisten. 


 

Anteil von erheblicher materieller und sozialer Deprivation betroffener Menschen in NRW 2023 nach Haushaltstyp in Prozent
Differenzierung nach Qualifikationsniveau

Niedrig Qualifizierte sind überdurchschnittlich oft erheblich materiell und sozial depriviert


Mit steigendem Qualifikationsniveau sinkt die Gefahr erheblicher materieller und sozialer Deprivation. Personen ab 16 Jahren, die eine geringe Qualifikation hatten, mussten 2023 in 14,4 Prozent der Fälle erhebliche Entbehrungen auf sich nehmen. Bei mittlerer Qualifikation war der Anteil nur in etwa halb so groß (7,3 Prozent).


 

Differenzierung nach Erwerbsstatus

Arbeitslose müssen überdurchschnittlich oft verzichten


Erwerbstätige müssen seltener Entbehrungen erleiden als Nichterwerbstätige. Während der Anteil betroffener Erwerbstätiger 2023 bei 5,4 Prozent lag, war der Anteil bei Nichterwerbstätigen in etwa doppelt so hoch (11,6 Prozent). Bei den Arbeitslosen war der Anteil derjenigen, die zum Verzicht auf den Konsum von Gütern und Dienstleistungen gezwungen waren, am höchsten. Zwei Fünftel (39,5 Prozent) der Personen, die laut Befragung im Vorjahr der Erhebung hauptsächlich arbeitslos waren, zählten zu den Personen mit erheblicher materieller und sozialer Entbehrung. Ihr Anteil liegt damit mehr als vier Mal so hoch wie der Anteil in der Gesamtbevölkerung. 
 

Anteil von erheblicher materieller und sozialer Deprivation betroffener Menschen ab 16 Jahren in NRW 2023 nach Erwerbsstatus
Differenzierung nach Staatsangehörigkeit

Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit sind häufiger von Entbehrungen betroffen


Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit (17,1 Prozent) waren 2023 mehr als doppelt so häufig von materieller und sozialer Entbehrung betroffen wie diejenigen mit deutscher Staatsangehörigkeit (7,5 Prozent). 

Anteil von erheblicher materieller und sozialer Deprivation betroffener Menschen in NRW 2023 nach Staatsangehörigkeit
Kriterien der materiellen und sozialen Deprivation

Unerwartete Ausgaben sind größte potenzielle Belastung


Für die Menschen in Nordrhein-Westfalen stellen unerwartete Ausgaben die größte potenzielle Belastung dar: Zwei Fünftel der Bevölkerung (40,7 Prozent) sahen sich 2023 nicht in der Lage, unerwartete Ausgaben in Höhe von mindestens 1 250 Euro mit eigenen Mitteln zu bestreiten.


Auch bei den Handlungsmöglichkeiten in den Bereichen Wohnen und Ernährung sieht sich ein Teil der Menschen mit unfreiwilligen Einschränkungen konfrontiert: Jede fünfte Person (19,8 Prozent) lebte in einem Haushalt, der abgewohnte Möbel nicht ersetzen konnte und jede zehnte Person (10,2 Prozent) gab an, die Unterkunft nicht angemessen warm halten zu können. Eine ausgewogene Mahlzeit pro Tag konnte sich ein Sechstel (15,9 Prozent) der Bevölkerung nicht leisten.


Fehlende finanzielle Mittel führen bei vielen Menschen auch zu Einschränkungen bei den Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung. Einen einwöchigen Urlaub an einem anderen Ort als zu Hause zu verbringen, war für jede vierte Person (25,5 Prozent) aus finanziellen Gründen nicht möglich. Jede sechste Person (16,2 Prozent) gab an, aus finanziellen Gründen keinen regelmäßigen Freizeitbeschäftigungen nachgehen zu können. 
 

Menschen in NRW konnten sich 2023 aus finanziellen Gründen....nicht leisten in Prozent

Jedes Jahr ein einwöchiger Urlaub woanders als zu Hause


Im Vergleich zur gesamten Bevölkerung in Nordrein-Westfalen leben jüngere Menschen überdurchschnittlich oft in einem Haushalt, in dem aus finanziellen Gründen kein Urlaub möglich ist. Im Jahr 2023 waren es bei Kindern und Jugendlichen 28,1 Prozent, bei den jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis unter 25 Jahren lag der Anteil bei 31,0 Prozent.


Das Fehlen finanzieller Mittel für eine Urlaubsreise zeigt sich insbesondere bei Alleinerziehenden: Nahezu jede zweite (47,8 Prozent) alleinerziehende Person konnte sich keinen Urlaub leisten. Auch bei Einpersonenhaushalten war der Anteil überdurchschnittlich hoch. Eine von drei (34,7 Prozent) alleinlebenden Personen hatte nicht die finanziellen Mittel, um eine Woche im Jahr an einem anderen Ort zu verbringen.


Ebenfalls häufiger war ein einwöchiger Urlaub für Niedrigqualifizierte (40,3 Prozent), Nichterwerbstätige (31,9 Prozent), Arbeitslose (68,5 Prozent) und Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit (40,4 Prozent) aufgrund fehlender finanzieller Mittel nicht möglich. 
 

Abbildung Personen*, die sich keinen einwöchigen Urlaub an einem anderen Ort als zu Hause leisten können, in NRW 2023
Datengrundlage und Methode
Daten
Erläuterungen

Die europäische Erhebung über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) ist die amtliche Hauptdatenquelle für die Messung von Armutsgefährdung und Lebensbedingungen auf Bundesebene sowie in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

Ab dem Jahr 2020 ist die Erhebung in den Mikrozensus integriert (MZ-SILC). Die MZ-SILC-Unterstichprobe umfasst ca. 12 Prozent der gesamten Mikrozensus-Stichprobe und ist damit größer als die Stichprobe der eigenständigen EU-SILC-Erhebung aus den Vorjahren. Ein wichtiger Unterschied zur insgesamt freiwilligen EU-SILC-Erhebung der Vorjahre ist auch, dass mit der Integration in den Mikrozensus die Erhebung in Teilen der Auskunftspflicht unterliegt.

Ausführliche Informationen zur Neugestaltung von EU-SILC finden Sie hier.

Bei den hier präsentierten Ergebnissen handelt es sich um Endergebnisse der Unterstichprobe MZ-SILC.

Eine frühere Version dieses Artikels wurde auf Basis der Erstergebnisse des Mikrozensus 2023 am 24.06.2024 veröffentlicht. Am 09.09.2024 wurde dieser Artikel mit den Endergebnissen für 2023 aktualisiert. In einigen Fällen kam es daher zu geringfügigen Änderungen der Werte.  

Methodische Hinweise und Darstellung der 13 Einzelfragen

Personen sind von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen, wenn nach ihrer Selbsteinschätzung mindestens sieben der nachfolgenden 13 Kriterien erfüllt sind:

Der Haushalt kann sich finanziell nicht leisten ...

  1. Miete, Hypotheken, Rechnungen von Versorgungsbetrieben oder Konsum-/Verbraucherkredite rechtzeitig zu bezahlen
  2. die Unterkunft angemessen warm zu halten
  3. jedes Jahr einen einwöchigen Urlaub an einem anderen Ort als zu Hause zu verbringen
  4. jeden zweiten Tag eine Mahlzeit mit Fleisch, Geflügel oder Fisch oder eine entsprechende vegetarische Mahlzeit zu essen
  5. unerwartet anfallende Ausgaben einer bestimmten Höhe (2023: 1 250 Euro) aus eigenen Mitteln zu bestreiten
  6. ein Auto zu besitzen (kein Firmen-/Dienstwagen)
  7. abgewohnte Möbel zu ersetzen
 

Individuum kann sich finanziell nicht leisten ...

  1. abgetragene Kleidungsstücke durch neue (nicht Second-Hand-Kleidung) zu ersetzen
  2. mindestens zwei Paar passende Schuhe in gutem Zustand zu besitzen
  3. wöchentlich einen geringen Geldbetrag für sich selbst aufzuwenden
  4. regelmäßigen Freizeitaktivitäten nachzugehen
  5. sich mindestens einmal im Monat mit Freunden oder Verwandten treffen, um gemeinsam etwas zu trinken oder zu essen 
  6. eine Internetverbindung zu haben

Sieben der 13 Kriterien werden auf Haushaltsebene erhoben und gelten für alle Haushaltsmitglieder gleichermaßen. Die restlichen sechs Kriterien werden nur für Personen ab 16 Jahren erhoben und müssen daher für die dem jeweiligen Haushalt zugehörigen Kinder (Personen) unter 16 Jahren geschätzt werden. Dabei wird angenommen, dass ein Kriterium dann für ein Kind zutrifft, wenn für mindestens die Hälfte der Erwachsenen im Haushalt, für die die das jeweilige Kriterium verfügbar ist, das Kriterium zutrifft.

Für alle Personen wird der gleiche Schwellenwert für die erhebliche materielle und soziale Entbehrung verwendet. Bei Kindern wird den individuellen Kriterien jedoch ein geringeres Gewicht zugewiesen, um zu vermeiden, dass die materielle und soziale Entbehrung von Kindern unter 16 Jahren zu empfindlich auf die individuellen Kriterien der Erwachsenen reagieren. Damit ein Kind unter 16 Jahren als materiell und sozial depriviert eingestuft wird, müssen mindestens drei der sieben Haushaltskriterien zutreffen.

In Bezug auf Kinder unter 16 Jahren gibt die materielle Deprivation somit Auskunft über Kinder, die in einem Deprivationskontext, d. h. Haushalt leben, der zum Befragungszeitpunkt von sozialer und materieller Entbehrung betroffen ist. 
 

Merkmalsdefinitionen: Kinder, Qualifikationen, Erwerbsstatus

Kinder sind als Personen im Alter von unter 18 Jahren sowie Personen im Alter von 18 bis einschließlich 24 Jahren, sofern sie ökonomisch abhängig sind, definiert.

Das Qualifikationsniveau wird entsprechend der Internationalen Standardklassifikation des Bildungswesens (ISCED 2011) bestimmt. Geringe Qualifikation bezeichnet dabei maximal einen Abschluss der Sekundarstufe I (z. B. Hauptschul- oder Realschulabschluss), mittlere Qualifikation eine Hochschulzugangsberechtigung (z. B. Abitur) und hohe Qualifikation einen tertiären Bildungsabschluss (z. B. ein Studium).

Der Erwerbsstatus bezieht sich auf das Vorjahr der Erhebung und leitet sich aus der überwiegend ausgeübten Beschäftigung ab. Der überwiegende Erwerbsstatus wird nur für Personen bestimmt, die Angaben zu ihrem Erwerbsstatus für mehr als sechs Monate des Erhebungsvorjahres gemacht haben. Er ist dann derjenige Erwerbsstatus, der über einen Zeitraum von mehr als der Hälfte der Monate mit Angaben zum Erwerbsstatus bestand. Personen, für die das nicht zutraf, die also nur für sechs Monate oder weniger Angaben zum Erwerbsstatus gemacht haben, wurden bei der Auswertung nach dem überwiegenden Erwerbsstatus ausgeschlossen.
 

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