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Amtliche Statistik für Nordrhein-Westfalen

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Wer in NRW ist von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen?

Zentrale Ergebnisse der Erhebung über Einkommen und Lebensbedingungen

© Sergey Chayko - stock.adobe.com
Das Bild zeigt ein leeres Portemonnaie in den Händen eines Menschen


Teile der Bevölkerung sind aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation von materieller und sozialer Entbehrung (auch: Deprivation) betroffen. Personen gelten als materiell und sozial depriviert, wenn sie nach eigener Einschätzung aus finanziellen Gründen unfreiwillig auf bestimmte Güter, Dienstleistungen oder soziale Aktivitäten verzichten müssen, die von den meisten Menschen als wesentlich für eine angemessene Lebensqualität angesehen werden.


Die europäische Erhebung über Einkommen und Lebensbedingungen erfasst die Betroffenheit von materieller und sozialer Entbehrung über 13 Einzelfragen. Hierbei werden Fragen nach diversen Zahlungsrückständen oder zu den finanziellen Möglichkeiten bezogen auf Urlaub, Freizeitaktivitäten, neuer Kleidung, aber auch zu Lebensmitteln gestellt (eine vollständige Auflistung der Einzelfragen finden Sie im Methodenteil). Stimmen befragte Personen mindestens sieben der 13 zur Messung verwendeten Einzelkriterien zu, so gelten sie als erheblich materiell und sozial depriviert.


In der nachfolgenden Analyse werden aktuelle statistische Ergebnisse zur materiellen und sozialen Deprivation in Nordrhein-Westfalen nach verschiedenen sozialen und demografischen Merkmalen dargestellt. Datengrundlage sind die Endergebnisse der europäischen Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen 2024. Die Daten werden jährlich aktualisiert. Hinweise zur Datenquelle und Methodik finden Sie im untenstehenden Methodenteil. 

 

Entwicklung im Zeitverlauf

Jede dreizehnte Person in Nordrhein-Westfalen ist von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen


Rund 1,41 Millionen Menschen (7,8 %) in Nordrhein-Westfalen mussten im Jahr 2024 laut Selbsteinschätzung Entbehrungen in mindestens sieben der 13 Bereiche auf sich nehmen und galten damit als erheblich materiell und sozial depriviert.
 

Differenzierung nach Altersgruppen

Kinder und Jugendliche müssen häufiger verzichten


Das Risiko, von Entbehrungen betroffen zu sein, sinkt mit dem Alter. Während ein Zehntel (9,7 %) der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren 2024 erheblich materiell und sozial depriviert war, war der Anteil bei älteren Menschen ab 65 Jahren halb so hoch (5,0 %).
 

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1) Aussagewert des Ergebnisses eingeschränkt, da Zahlenwert statistisch unsicher ist. 

Differenzierung nach Haushaltstyp

Alleinerziehende besonders von Entbehrung betroffen


Abhängig von der Haushaltskonstellation sind Personen unterschiedlich stark von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen. Personen, die in Haushalten ohne Kinder lebten, waren 2024 etwas weniger betroffen (7,3 %) als diejenigen mit Kindern (8,6 %).


Mit 4,9 % waren Personen in Haushalten mit zwei Erwachsenen ohne Kinder am seltensten von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen. Der höchste Anteil zeigt sich bei Alleinerziehenden: Etwas mehr als ein Fünftel (22,3 %) der Erwachsenen und Kinder in diesen Haushalten konnten sich mindestens sieben der 13 Güter, Dienstleistungen und Aktivitäten nicht leisten. 


 

Differenzierung nach Qualifikationsniveau

Niedrig Qualifizierte sind überdurchschnittlich oft erheblich materiell und sozial depriviert


Mit steigendem Qualifikationsniveau sinkt die Gefahr erheblicher materieller und sozialer Deprivation. Personen ab 16 Jahren, die eine geringe Qualifikation hatten, mussten 2024 in 13,8 % der Fälle erhebliche Entbehrungen auf sich nehmen. Bei mittlerer Qualifikation war der Anteil weniger als halb so groß (6,1 %). Bei einem hohen Qualifikationsniveau lag der Anteil bei nur 3,6 %.


 

Differenzierung nach Erwerbsstatus

Arbeitslose müssen überdurchschnittlich oft verzichten


Erwerbstätige müssen seltener Entbehrungen erleiden als Nichterwerbstätige. Während der Anteil betroffener Erwerbstätiger 2024 bei 4,4 % lag, war der Anteil bei Nichterwerbstätigen mehr als doppelt so hoch (10,9 %). Bei den Arbeitslosen war der Anteil derjenigen, die zum Verzicht auf den Konsum von Gütern und Dienstleistungen gezwungen waren, am höchsten. Zwei Fünftel (39,4 %) der Personen, die laut Befragung im Vorjahr der Erhebung hauptsächlich arbeitslos waren, zählten zu den Personen mit erheblicher materieller und sozialer Entbehrung. Ihr Anteil liegt damit fünfmal so hoch wie der Anteil in der Gesamtbevölkerung. 
 

Differenzierung nach Staatsangehörigkeit

Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit sind häufiger von Entbehrungen betroffen


Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit (16,2 %) waren 2024 in etwa zweieinhalbmal so häufig von materieller und sozialer Entbehrung betroffen wie diejenigen mit deutscher Staatsangehörigkeit (6,2 %). 

 

Kriterien der materiellen und sozialen Deprivation

Unerwartete Ausgaben sind größte potenzielle Belastung


Für die Menschen in Nordrhein-Westfalen stellen unerwartete Ausgaben die größte potenzielle Belastung dar: Nahezu zwei Fünftel der Bevölkerung (37,4 %) sahen sich 2024 nicht in der Lage, unerwartete Ausgaben in Höhe von mindestens 1.250 Euro mit eigenen Mitteln zu bestreiten.


Auch bei den Handlungsmöglichkeiten in den Bereichen Wohnen und Ernährung sieht sich ein Teil der Menschen mit unfreiwilligen Einschränkungen konfrontiert: Jede sechste Person (16,9 %) lebte in einem Haushalt, der abgewohnte Möbel nicht ersetzen konnte und jede zwölfte Person (8,1 %) gab an, die Unterkunft nicht angemessen warm halten zu können. Rund ein Achtel (13,3 %) der Bevölkerung konnte sich nicht einmal jeden zweiten Tag eine ausgewogene Mahlzeit leisten.


Fehlende finanzielle Mittel führen bei vielen Menschen auch zu Einschränkungen bei den Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung. Einen einwöchigen Urlaub an einem anderen Ort als zu Hause zu verbringen, war für nahezu jede vierte Person (22,9 %) aus finanziellen Gründen nicht möglich. Jede sechste Person (15,8 %) gab an, aus finanziellen Gründen keinen regelmäßigen Freizeitbeschäftigungen nachgehen zu können. 
 

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1) in Höhe von 1.250 Euro 
2) Dazu zählen Mieten, Hypotheken, Rechnungen von Versorgungsbetrieben oder Konsum-/Verbraucherkrediten.

Datengrundlage und Methode

Daten
Erläuterungen

Die europäische Erhebung über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) ist die amtliche Hauptdatenquelle für die Messung von Armutsgefährdung und Lebensbedingungen auf Bundesebene sowie in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

Ab dem Jahr 2020 ist die Erhebung in den Mikrozensus integriert (MZ-SILC). Die MZ-SILC-Unterstichprobe umfasst ca. 12 Prozent der gesamten Mikrozensus-Stichprobe und ist damit größer als die Stichprobe der eigenständigen EU-SILC-Erhebung aus den Vorjahren. Ein wichtiger Unterschied zur insgesamt freiwilligen EU-SILC-Erhebung der Vorjahre ist auch, dass mit der Integration in den Mikrozensus die Erhebung in Teilen der Auskunftspflicht unterliegt.

Ausführliche Informationen zur Neugestaltung von EU-SILC finden Sie hier.

Bei den hier präsentierten Ergebnissen handelt es sich um Endergebnisse der Unterstichprobe MZ-SILC. 

Methodische Hinweise und Darstellung der 13 Einzelfragen

Personen sind von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen, wenn nach ihrer Selbsteinschätzung mindestens sieben der nachfolgenden 13 Kriterien erfüllt sind:

Der Haushalt kann sich finanziell nicht leisten ...

  1. Miete, Hypotheken, Rechnungen von Versorgungsbetrieben oder Konsum-/Verbraucherkredite rechtzeitig zu bezahlen
  2. die Unterkunft angemessen warm zu halten
  3. jedes Jahr einen einwöchigen Urlaub an einem anderen Ort als zu Hause zu verbringen
  4. jeden zweiten Tag eine Mahlzeit mit Fleisch, Geflügel oder Fisch oder eine entsprechende vegetarische Mahlzeit zu essen
  5. unerwartet anfallende Ausgaben einer bestimmten Höhe (2024: 1.250 Euro) aus eigenen Mitteln zu bestreiten
  6. ein Auto zu besitzen (kein Firmen-/Dienstwagen)
  7. abgewohnte Möbel zu ersetzen
 

Individuum kann sich finanziell nicht leisten ...

  1. abgetragene Kleidungsstücke durch neue (nicht Second-Hand-Kleidung) zu ersetzen
  2. mindestens zwei Paar passende Schuhe in gutem Zustand zu besitzen
  3. wöchentlich einen geringen Geldbetrag für sich selbst aufzuwenden
  4. regelmäßigen Freizeitaktivitäten nachzugehen
  5. sich mindestens einmal im Monat mit Freunden oder Verwandten treffen, um gemeinsam etwas zu trinken oder zu essen
  6. eine Internetverbindung zu haben

Sieben der 13 Kriterien werden auf Haushaltsebene erhoben und gelten für alle Haushaltsmitglieder gleichermaßen. Die restlichen sechs Kriterien werden nur für Personen ab 16 Jahren erhoben und müssen daher für die dem jeweiligen Haushalt zugehörigen Kinder (Personen) unter 16 Jahren geschätzt werden. Dabei wird angenommen, dass ein Kriterium dann für ein Kind zutrifft, wenn für mindestens die Hälfte der Erwachsenen im Haushalt, für die die das jeweilige Kriterium verfügbar ist, das Kriterium zutrifft.

Für alle Personen wird der gleiche Schwellenwert für die erhebliche materielle und soziale Entbehrung verwendet. Bei Kindern wird den individuellen Kriterien jedoch ein geringeres Gewicht zugewiesen, um zu vermeiden, dass die materielle und soziale Entbehrung von Kindern unter 16 Jahren zu empfindlich auf die individuellen Kriterien der Erwachsenen reagieren. Damit ein Kind unter 16 Jahren als materiell und sozial depriviert eingestuft wird, müssen mindestens drei der sieben Haushaltskriterien zutreffen.

In Bezug auf Kinder unter 16 Jahren gibt die materielle Deprivation somit Auskunft über Kinder, die in einem Deprivationskontext, d. h. Haushalt leben, der zum Befragungszeitpunkt von sozialer und materieller Entbehrung betroffen ist. 
 

Merkmalsdefinitionen: Kinder, Qualifikationen, Erwerbsstatus

Das Alter entspricht dem Alter am 31.12 des Vorjahres.

Kinder sind als Personen im Alter von unter 18 Jahren sowie Personen im Alter von 18 bis einschließlich 24 Jahren, sofern sie ökonomisch abhängig sind, definiert.

Das Qualifikationsniveau wird entsprechend der Internationalen Standardklassifikation des Bildungswesens (ISCED 2011) bestimmt. Geringe Qualifikation bezeichnet dabei maximal einen Abschluss der Sekundarstufe I (z. B. Hauptschul- oder Realschulabschluss), mittlere Qualifikation eine Hochschulzugangsberechtigung (z. B. Abitur) und hohe Qualifikation einen tertiären Bildungsabschluss (z. B. ein Studium).

Der Erwerbsstatus bezieht sich auf das Vorjahr der Erhebung und leitet sich aus der überwiegend ausgeübten Beschäftigung ab. Der überwiegende Erwerbsstatus wird nur für Personen bestimmt, die Angaben zu ihrem Erwerbsstatus für mehr als sechs Monate des Erhebungsvorjahres gemacht haben. Er ist dann derjenige Erwerbsstatus, der über einen Zeitraum von mehr als der Hälfte der Monate mit Angaben zum Erwerbsstatus bestand. Personen, für die das nicht zutraf, die also nur für sechs Monate oder weniger Angaben zum Erwerbsstatus gemacht haben, wurden bei der Auswertung nach dem überwiegenden Erwerbsstatus ausgeschlossen.
 

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