Rund 3,3 Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen waren im Jahr 2023 armutsgefährdet. Als armutsgefährdet gilt, wer weniger als 60 Prozent des mittleren bedarfsgewichteten Haushaltseinkommens der Bevölkerung zur Verfügung hat. Zur Messung dieser sogenannten relativen Einkommensarmut wird die Armutsgefährdungsquote herangezogen. Sie gibt an, bei wieviel Prozent der Bevölkerung die Teilhabemöglichkeit an dem üblichen gesellschaftlichen Lebensstandard durch Unterschreiten der oben genannten Einkommensgrenze nicht hinreichend gesichert ist.
In der nachfolgenden Analyse werden aktuelle statistische Ergebnisse zu relativer Einkommensarmut in Nordrhein-Westfalen nach verschiedenen sozialen und demografischen Merkmalen dargestellt. Datengrundlage sind die Erstergebnisse des Mikrozensus 2023. Die Daten werden jährlich aktualisiert. Hinweise zur verwendeten Methode finden Sie im unten stehenden Methodenteil.
Fast jede fünfte Person in NRW von Armut bedroht
Von relativer Einkommensarmut waren 2023 rund 3,3 Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen betroffen. Das entspricht einer Armutsgefährdungsquote von 18,3 Prozent. Dabei lag die Armutsgefährdungsschwelle für einen Einpersonenhaushalt bei 1 233 Euro (Informationen zur Armutsgefährdungsschwelle siehe Abschnitt „Datengrundlage und Methode“).
In den Jahren von 2013 bis 2019 stieg die Armutsgefährdungsquote von 16,0 Prozent auf 17,0 Prozent nahezu kontinuierlich an. Die Armutsgefährdungsschwelle erhöhte sich in diesem Zeitraum von 873 Euro auf 1 042 Euro.
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene überdurchschnittlich häufig von Armut betroffen
Sowohl Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren als auch junge Erwachsene im Alter von 18 bis 24 Jahren waren 2023 zu einem überdurchschnittlich hohen Anteil von relativer Einkommensarmut betroffen. So lebte jede vierte minderjährige Person in einem einkommensarmen Haushalt (24,6 Prozent). Bei den jungen Erwachsenen traf dies auf 26,1 Prozent zu. Beide Gruppen zusammen machten mit rund 1,1 Millionen Menschen ein Drittel der armutsgefährdeten Personen aus. Menschen im Alter von 50 bis 64 Jahren waren mit 13,3 Prozent am seltensten von relativer Einkommensarmut betroffen.
Frauen häufiger armutsgefährdet als Männer
Frauen waren im Jahr 2023 etwas häufiger von relativer Einkommensarmut betroffen (19,3 Prozent) als Männer (17,3 Prozent). Differenziert nach einzelnen Altersgruppen unterschieden sich die Armutsgefährdungsquoten von Männern und Frauen im Alter von 65 und mehr Jahren am stärksten: Frauen dieses Alters waren mit 21,0 Prozent einem um 5,4 Prozentpunkte höheren Armutsrisiko ausgesetzt als gleichaltrige Männer (15,6 Prozent).
Armutsrisiko von Alleinerziehenden überdurchschnittlich hoch
Etwas mehr als die Hälfte der armutsgefährdeten Personen in NRW (1,8 Millionen) lebte 2023 in kinderlosen Haushalten. Untergliedert nach entsprechenden Haushaltstypen wiesen erwachsene Personen, die mit einer Partnerin oder einem Partner zusammenlebten, die niedrigste Armutsgefährdungsquote auf (9,4 Prozent). Im Vergleich fiel diese bei Alleinlebenden deutlich höher aus: Mehr als jede bzw. jeder vierte Alleinlebende (29,0 Prozent) war 2023 armutsgefährdet.
In der Gruppe der Haushalte mit minderjährigen Kindern wiesen Personen in Alleinerziehendenhaushalten die höchste Armutsgefährdungsquote auf: Mehr als zwei Fünftel (45,7 Prozent) der Alleinerziehenden waren von relativer Einkommensarmut betroffen. Bei Personen aus Paarfamilien mit minderjährigen Kindern war das Armutsrisiko unabhängig von der Kinderzahl geringer. Je mehr minderjährige Kinder im Haushalt lebten, desto höher war die Armutsgefährdungsquote. In Haushalten mit Kind bzw. Kindern lebten 2023 1,5 Millionen von relativer Einkommensarmut betroffene Personen.
Die Hälfte der Erwerbslosen von Einkommensarmut betroffen
Die Erwerbsbeteiligung ist sowohl für das aktuell verfügbare Einkommen als auch für die soziale Absicherung in der Nacherwerbsphase von entscheidender Bedeutung. So war die Hälfte der Erwerbslosen (50,6 Prozent) 2023 von relativer Einkommensarmut betroffen. Das betraf rund 160 000 Personen. Die Armutsgefährdungsquote der Erwerbstätigen war mit 8,9 Prozent demgegenüber deutlich geringer; insgesamt betrachtet war die Zahl der armutsgefährdeten Menschen unter den Erwerbstätigen mit rund 805 000 Personen jedoch etwas mehr als fünfmal so hoch.
Unter den Nichterwerbspersonen, also Personen, die nicht für die Aufnahme einer Arbeit zur Verfügung stehen, wiesen Rentnerinnen und Rentner sowie Pensionärinnen und Pensionäre mit 19,0 Prozent die niedrigste Armutsgefährdungsquote auf. Betroffen waren rund 708 000 Personen, das entspricht drei von zehn der armutsgefährdeten Personen dieser Gruppe. Bei sonstigen Nichterwerbspersonen im Alter von mindestens 18 Jahren war die Armutsgefährdungsquote mit 45,6 Prozent mehr als doppelt so hoch. Zu den sonstigen Nichterwerbspersonen zählen hier alle Personen ab 18 Jahren, die ihren überwiegenden Lebensunterhalt nicht aus einer Rente oder Pension beziehen. Das sind beispielsweise Hausfrauen und Hausmänner oder ältere Menschen ohne Rente bzw. Pension.
Niedrige Qualifikation geht mit höherem Armutsrisiko einher
Personen in Haushalten, deren Haupteinkommensperson eine geringe Qualifikation hatte, waren 2023 zu 40,4 Prozent von Einkommensarmut bedroht. Bei Personen in Haushalten mit hoch qualifizierter Haupteinkommensperson waren es hingegen nur 7,7 Prozent.
Auch Personen, die selbst eine niedrige Qualifikation hatten, waren mit einem Anteil von 33,3 Prozent häufiger von Armut betroffen als Hochqualifizierte mit 7,9 Prozent.
Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit oder Migrationshintergrund häufiger armutsgefährdet
Das Armutsrisiko von Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit war im Jahr 2023 mit 40,5 Prozent mehr als doppelt so hoch wie von Personen mit deutschem Pass (14,1 Prozent). Auch Personen mit Migrationshintergrund wiesen ein höheres Armutsrisiko auf: Drei von zehn Personen dieser Gruppe (30,6 Prozent) waren von relativer Einkommensarmut betroffen, während der Anteil bei Menschen ohne Migrationshintergrund mit 11,9 Prozent weniger als halb so groß war. Eine Person hat einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt besitzt (vgl. Statistisches Bundesamt: Fachserie 1. Reihe 2.2).
Datengrundlage
Die hier präsentierten Indikatoren werden auf der Grundlage des Mikrozensus-Kernprogramms (MZ-Kern) ermittelt. Für das Berichtsjahr 2023 handelt es sich um Erstergebnisse.
Der Mikrozensus ist zwischen zwei Volkszählungen die größte Haushaltsbefragung der amtlichen Statistik. Jährlich werden in Deutschland rund ein Prozent aller Personen in Privathaushalten und Gemeinschaftsunterkünften zu ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage befragt. Da die Auskunftserteilung im Mikrozensus verpflichtend ist, liefert er auch für solche Personengruppen zuverlässige Ergebnisse, die in Bevölkerungsbefragungen üblicherweise schwer zu erreichen sind. Die Ergebnisse liegen in tiefer fachlicher und regionaler Gliederung vor.
Die Ergebnisse des Mikrozensus ab dem Erhebungsjahr 2020 sind durch methodische Veränderungen nur eingeschränkt mit den Vorjahreswerten vergleichbar. Das Erhebungsjahr 2020 war zudem von Einschränkungen bei der Erhebung betroffen und sollte deshalb nicht für Zeitvergleiche mit nachfolgenden Jahren herangezogen werden. Weitere Informationen zu der Neuregelung des Mikrozensus ab 2020 finden Sie hier.
Bei den Ergebnissen der Jahre bis einschließlich 2022 handelt es sich um Endergebnisse, für das Jahr 2023 liegen Erstergebnisse vor. Die Armutsgefährdungsquoten der Endergebnisse werden erfahrungsgemäß geringfügig von den Erstergebnissen abweichen.
Methodische Hinweise zur Berechnung der Armutsgefährdungsschwelle
Im Kernprogramm des Mikrozensus wird das monatliche Haushaltsnettoeinkommen als klassierte und pauschale Selbsteinstufung des Einkommens für den Monat vor der Berichtswoche erhoben. Um die Haushaltsgröße mit zu berücksichtigen, wird auf dieser Grundlage ein Äquivalenzeinkommen, d. h. ein bedarfsgewichtetes Pro-Kopf-Einkommen auf Basis der neuen OECD-Skala ermittelt. Dabei erhält die erste Person im Haushalt ein Gewicht von 1, jede weitere Person im Alter von 14 und mehr Jahren ein Gewicht von 0,5 und jedes Kind im Alter von unter 14 Jahren ein Gewicht von 0,3. In dieser Analyse gilt als armutsgefährdet, wer weniger als 60 Prozent des Medians der Äquivalenzeinkommen der nordrhein-westfälischen Bevölkerung zur Verfügung hat. Als einkommensreich gilt demgegenüber, wer mehr als 200 Prozent des Medians zur Verfügung hat.
Die Armutsgefährdungsschwelle (60 Prozent des Medians) lag in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2023 laut Mikrozensus bei 1 233 Euro für einen Einpersonenhaushalt, das mittlere Einkommen (Median) bei 2 056 Euro und die Einkommensreichtumsschwelle (200 Prozent des Medians) bei 4 111 Euro.
Ein Haushalt mit z. B. zwei Erwachsenen und zwei Kindern im Alter von unter 14 Jahren galt 2023 als einkommensarm, wenn das Haushaltsnettoeinkommen weniger als 2 590 Euro betrug. Das mittlere Einkommen lag in dieser Haushaltszusammensetzung bei 4 317 Euro, die Einkommensreichtumsschwelle bei 8 634 Euro.
Aufgrund des höheren Bedarfsgewichts bei Mehrpersonenhaushalten steigen die Schwellwerte gegenüber einem Einpersonenhaushalt entsprechend an.
Merkmalsdefinitionen: Erwerbsstatus, Qualifikation und Migrationshintergrund
Der Erwerbsstatus wird nach dem "Labour-Force-Konzept" der International Labour Organization (ILO) angegeben. Als Rentnerinnen und Rentner bzw. Pensionärinnen und Pensionäre gelten Nichterwerbspersonen mit Bezug einer eigenen (Versicherten-)Rente bzw. Pension und Personen im Alter von 65 und mehr Jahren mit überwiegendem Lebensunterhalt aus einer Hinterbliebenenrente bzw. -pension.
Das Qualifikationsniveau wird entsprechend der Internationalen Standardklassifikation des Bildungswesens (ISCED 2011) bestimmt. Geringe Qualifikation bezeichnet dabei maximal einen Abschluss der Sekundarstufe I (z. B. Hauptschul- oder Realschulabschluss), mittlere Qualifikation eine Hochschulzugangsberechtigung (z. B. Abitur) und hohe Qualifikation einen tertiären Bildungsabschluss (z. B. ein Studium).
Eine Person hat einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt besitzt (vgl. Statistisches Bundesamt: Fachserie 1. Reihe 2.2). Es können auch Personen, deren Zuordnung zur Bevölkerung mit Migrationshintergrund ausschließlich aus Merkmalen eines nicht im Haushalt lebenden Elternteils resultiert, identifiziert werden und werden mitgezählt (= Migrationshintergrund im weiteren Sinn).
Weitere Informationen
Die in diesem Bericht dargestellten Zahlen und weitere Daten finden Sie auch in kostenlos abrufbaren Excel-Tabellen im gemeinsamen Statistikportal der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder oder in der Regionaldatenbank.