Nahrungsmittel zählen zu den Konsumgütern des täglichen Bedarfs und werden von Verbraucherinnen und Verbrauchern häufiger konsumiert als andere Güter und Dienstleistungen. Die Entwicklung der Nahrungsmittelpreise steht daher im Fokus des öffentlichen Interesses. Dieser Artikel betrachtet die langfristige Preisentwicklung der Nahrungsmittel insgesamt und ausgewählter Nahrungsmittelgruppen in NRW. Verschiedene Ereignisse haben die Preise unterschiedlicher Nahrungsmittel in den vergangenen Jahren beeinflusst, darunter z.B. die Abschaffung der Milchquote oder die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine.
Der Verbraucherpreisindex beschreibt die durchschnittliche Preisentwicklung aller Waren und Dienstleistungen, die private Haushalte für Konsumzwecke kaufen. Im Wägungsschema ist festgelegt, welches Gewicht den einzelnen Gütergruppen im Gesamtindex zukommt. Dieser sogenannte Wägungsanteil bestimmt sich nach dem Ausgabenanteil, den private Haushalte im Durchschnitt für die entsprechenden Güter und Dienstleistungen aufwenden. Im aktuellen Wägungsschema haben die Nahrungsmittel einen Anteil von 10,5 Prozent.
Die Preise für Nahrungsmittel verzeichneten in NRW im Zeitraum von 2015 bis 2023 einen Anstieg von 46,9 Prozent. Dies ist doppelt so hoch wie die Veränderungsrate des Verbraucherpreisindex insgesamt mit 23,4 Prozent (jeweils gemessen an der Veränderung des Verbraucherpreisindex im Jahresdurchschnitt; umbasiert auf das Jahr 2020 = 100). Dies ist insbesondere auf die starken Preisanstiege seit 2022 zurückzuführen: Die höchste Teuerungsrate für Nahrungsmittel wurde in den Jahren 2022 (+14,6 Prozent) und 2023 (+13,0 Prozent) gemessen; die niedrigste im Jahr 2015 (+0,6 Prozent).
Die zunehmende Ausbreitung des Coronavirus Anfang 2020 hat die Entwicklung der Nahrungsmittelpreise beeinflusst. Die Preise für Nahrungsmittel erhöhten sich im ersten Halbjahr 2020 um 3,8 Prozent gegenüber dem Vorjahreshalbjahr. Der Verbraucherpreisindex insgesamt verzeichnete im selben Zeitraum einen Anstieg von 1,4 Prozent.
Um die wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie einzudämmen, hat die Bundesregierung vom 1. Juli bis 31. Dezember 2020 die Mehrwertsteuersätze von 19 auf 16 Prozent bzw. von 7 auf 5 Prozent (ermäßigter Steuersatz) gesenkt. Dies wirkte im zweiten Halbjahr 2020 preisdämpfend in nahezu allen Bereichen: Die Verbraucherpreise insgesamt sanken zwischen dem zweiten Halbjahr 2019 und 2020 durchschnittlich um 0,4 Prozent, bei den Nahrungsmittelpreisen war im selben Zeitraum ein Anstieg um 0,5 Prozent zu verzeichnen.
Der sogenannte Basiseffekt führte im Folgejahr 2021 dazu, dass die Teuerungsrate für Nahrungsmittel überdurchschnittlich angestiegen ist. Mit Beginn des Krieges in der Ukraine im Februar 2022 verstärkte sich der Preisanstieg für Nahrungsmittel, so kam es im Jahr 2022 zu einem Anstieg von 14,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Weitere Informationen zu den Auswirkungen der Coronapandemie und des Kriegs in der Ukraine auf die Verbraucherpreise in NRW können Sie unserem Artikel entnehmen.
Der Basiseffekt
Ein Basiseffekt tritt auf, wenn Preissteigerungen oder -senkungen z. B. aufgrund einer Maßnahme oder besonderen Situation temporär besonders ausgeprägt sind. Mit Wegfall dieser besonderen Situation ändert sich die Teuerungsrate in den Folgemonaten ungewöhnlich stark. In den Monaten Juli bis Dezember 2020 dämpfte die Mehrwertsteuersenkung die Preisentwicklung, d. h. aufgrund der besonderen Umstände war der Indexstand in diesem Zeitraum vergleichsweise niedrig. Im Januar 2021 wurden die Mehrwertsteuersätze wieder angehoben, folglich stiegen die Preise überdurchschnittlich an. Dies zeigt sich auch bei Vorjahresvergleichen im Folgejahr.
Die Entwicklung der Nahrungsmittelpreise variierte in den Jahren 2015 bis 2023 zwischen den verschiedenen Gütergruppen. Bei Obst und Gemüse ist ein ausgeprägtes Saisonmuster erkennbar, d. h. saisonale Verfügbarkeiten führten zu kontinuierlichen Preisschwankungen.
Die Preisentwicklung bei Speisefetten und -ölen verlief aufgrund verschiedener Ereignisse auf dem Weltmarkt von 2015 bis 2023 unbeständig. Die Preise für Butter, die zur Gütergruppe „Speisefette/-öle“ zählt,¹ stiegen vor dem Hintergrund der Abschaffung der Milchquote im Jahr 2015 ab der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2016 bis zum Ende des Jahres 2017 überdurchschnittlich an. Dies wirkte sich auch auf die gesamte Gütergruppe „Speisefette/-öle“ aus.
Die geringe Olivenerntemenge aufgrund der Trockenheit in Südeuropa führte zu einem knappen Angebot, woraus sich eine Preissteigerung für Olivenöl ergab. Dies führte ab dem Jahr 2022 auch zu einem überdurchschnittlichen Anstieg bei Speisefetten und -ölen. Zum anderen sorgten Lieferstopps durch den russischen Angriffskrieg für Preissteigerungen bei Sonnenblumenöl. Die Ukraine ist nicht nur der weltgrößte Exporteur dieses Produktes, sondern auch der wichtigste Lieferant für Deutschland. Insgesamt stiegen die Preise für Speisefette und -öle seit Januar 2022 bis Dezember 2023 um 20,9 Prozent.
Die Preisentwicklung bei den Molkereiprodukten war ebenfalls von der Abschaffung der Milchquote geprägt. Schwankungen in der Preisentwicklung zwischen den Jahren 2016 und 2018 waren die Folge, die sich ebenfalls auf die gesamte Gütergruppe Molkereiprodukte und Eier auswirkten. Seit 2022 zeigten sich auch bei dieser Gütergruppe die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine. Dazu zählen steigende Kosten in Produktion, Transport sowie der Kühlung bei einigen Molkereiprodukten und Eiern. Zwischen Januar 2022 und Dezember 2023 sind die Preise um 32,0 Prozent gestiegen.
Die Milchquote
Die Milchquote wurde Ende der 1970er-Jahre eingeführt, um Preisstabilität zu gewährleisten und das strukturelle Überangebot auf dem EU-Markt zu reduzieren. Jeder Mitgliedstaat der EG (heute EU) erhielt eine festgelegte Milchmenge, die im Jahr nicht überschritten werden durfte. Die Milchbäuerinnen und -bauern erhielten für jeden Liter einen garantierten Preis, der über dem Weltmarktniveau lag.
Im Jahr 2015 wurde die Milchquote abgeschafft. Mit der Abschaffung durften Landwirtinnen und Landwirte wieder ohne Einschränkung produzieren und ihre Mengen auf dem freien Markt ohne festgelegten Preis verkaufen. Der dadurch entstandene starke Preisdruck führte zunächst zu sinkenden Preisen. Vor diesem Hintergrund haben die Landwirtinnen und Landwirte ihre Produktion stark gedrosselt. Folglich zogen die Preise für Butter ab Mitte 2016 deutlich an.
Die Preisentwicklungen in Gütergruppen wie Brot und Getreideerzeugnisse, Fleisch(waren), Fisch(waren) und Meeresfrüchte sowie Zucker, Marmelade, Honig und andere Süßwaren verliefen bis zum Jahr 2022 weitgehend parallel zur Verbraucherpreisentwicklung insgesamt. Seit diesem Jahr verzeichneten die einzelnen Gütergruppen insbesondere aufgrund der Auswirkungen des Krieges in der Ukraine, in dessen Folge u. a. die Energiepreise stark angestiegen sind (+32,9 Prozent zwischen 2021 und 2022), überdurchschnittlich hohe Preisanstiege: So stiegen z. B. die Preise für Brot und Getreideerzeugnisse zwischen Januar 2022 und Dezember 2023 um 29,6 Prozent. Zucker, Marmelade, Honig und andere Süßwaren wiesen ebenfalls einen Anstieg von 29,6 Prozent auf. Die Preise für Fisch, Fischwaren und Meeresfrüchte stiegen im genannten Zeitraum um 27,0 Prozent und die für Fleisch und Fleischwaren um 21,9 Prozent.
Fußnoten
¹ Eine Übersicht der einzelnen Güterarten für jede Güterguppe finden Sie im Wägungsschema (https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Preise/Verbraucherpreisindex/Methoden/Downloads/waegungsschema-2020.pdf?__blob=publicationFile).